Donnerstag, 22. April 2010

Zweierlei "Unvorstellbares".

von Josef Honerkamp
Als ich neulich einem Theologen gegenüber den Titel meines Buches erwähnte, sagte er: "Wieso müssen Sie denn noch das Unvorstellbare entdecken? Kennen wir nicht schon viel Unvorstellbares im Rahmen unseres Glaubens?"

In der Tat gibt es in allen Religionen viele Aussagen, die den Erfahrungen der Menschen gänzlich fremd sind, z.B. die Auferstehung von den Toten oder das erlöste Leben in einem himmlischen Jenseits, um nur die wichtigsten Versprechen der Religionen zu nennen. Aber nicht nur in den Religionen findet man " Unvorstellbares", die Fantasie hat die Menschen schon immer dazu geführt, in ihren Vorstellungen über die Grenzen des Üblichen hinaus zu gehen - in den Sagen, in Literatur, in Filmen und heutzutage auch in Computerspielen.
Was ist nun der Unterschied zu dem "Unvorstellbaren", das in meinem Buch gemeint ist? Es sind zwei Punkte, die hier wesentlich sind und die dem Unvorstellbaren, das sich durch die moderne Physik aufgedrängt hat, einen ganz anderen Rang gibt.

Zum ersten: Religionen knüpfen immer an die Begriffe an, die zu der Zeit ihrer Entstehung den Menschen, aber auch sonst bestens bekannt sind. Es geht um Tod und Leid, um Ohnmacht und , um Mangel an Anerkennung und Liebe - und immer um die Überwindung solcher bedrückenden Erfahrungen. Natürlich muss es immer um die elementarsten Erfahrungen des Menschen gehen, wie sonst würde man die Menschen mit der Botschaft erreichen und Anhänger finden. Zum zweiten: Diese Überwindung wird verkündet. Eine Überprüfung ist nicht möglich, für den Glaubenden auch nicht nötig.
Das "Unvorstellbare" in der Physik bedeutet etwas ganz anderes. Es bezieht sich zum ersten auf ganz neue Begriffe , die - zum zweiten - nicht einfach verkündet werden sondern sich erst im Laufe der Entwicklung im Rahmen mathematisch formulierter Theorien und experimenteller Überprüfungen aufgedrängt haben.
Es geht also z.B. um den Begriff Quant, nicht etwa um bisher nicht erfahrene Eigenschaften bekannter Objekte oder Phänomene. Die Lehre, die wir aus der Entwicklung der Physik ziehen müssen, ist ja gerade, dass es einen Teil der Welt gibt, den wir mit unseren durch Erfahrungen geprägten Vorstellungen allein nicht erfassen können. Dieser Teil der Welt wird ja von den Religionen gar nicht gesehen. (Und sie müssten diesen Teil eigentlich auch gar nicht berücksichtigen, wenn es ihnen wirklich nur um die Frage nach einem "guten" menschlichem Leben ginge.)
Ich bin dankbar für diese Frage des Theologen, denn sie führt genau in das Zentrum dessen, was ich mit dem Buch sagen will: Wir sollen nicht glauben, wir könnten die Welt im Rahmen unserer gängigen alltäglichen Vorstellungen verstehen.

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